Nun war da aber diese spektakuläre Fransenjacke im Heft, in die ich mich spontan verliebt habe. Passendes Garn befand sich im Stash, das wusste ich. Also: Spontankauf.
Zuhause dann der erste Schock : Das für die Jacke vorgesehene Originalgarn hätte 250 € gekostet - ZWEIHUNDERTFÜNFZIG Euro - ich meine, geht's noch?
Ich stellte mir vor, ich hätte nicht meinen umfangreichen Stash mit selbstgefärbten Garnen, könnte nicht spinnen und damit das Idealgarn selbst herstellen, wollte die Jacke exakt so wie abgebildet.. Was für eine Enttäuschung musste das für die Käuferin des Heftes sein!
Mein eigenes Garn erwies sich als perfekt. Die Maschenprobe passte auf Anhieb, die Anmutung war nach Waschen und Spannen genau so, wie ich mir das gedacht hatte.
Dann die nächste Erkenntnis: Nach dieser Anleitung würde niemand stricken können! Die benötigten Teile werden schräg gestrickt, mit unregelmäßigen Ab- und Zunahmen an beiden Seiten. Und was enthielt die Anleitung? Fließtext! Mit allen drei möglichen Größen im selben Text, mit vielen verwirrenden Klammern und Formulierungen, die jeden Strickspaß, jeden Flow unmöglich machten. Mit nur einer winzigen Übersichtsgrafik, in der ich aber zumindest die grobe Strickrichtung erkennen konnte.
Also habe ich aus den Angaben der Anleitung ein Chart gezeichnet und dabei gemerkt, dass die "Anleitung" noch nicht einmal Zwischenergebnisse enthielt, an denen ich im Prozess hätte erkennen können, ob ich noch auf dem richtigen Weg war. Zudem gab es auch noch Fehler im Text. An einer Stelle stand zum Beispiel: "Die letzten 5(6/6) Maschen abketten." Aber diese Anzahl ergab sich nicht, wenn man die Maschenzahl vom Start und alle Zu- und Abnahmen ausrechnete! Gibt es in solchen Zeitschriftenredaktionen denn gar keine Qualitätskontrolle?
Durch die ungewöhnliche Strickrichtung war das Stricken lange völliger Blindflug. Für mich mit über vierzig Jahren Strickerfahrung war das nicht so dramatisch, ich hätte zur Not alles wieder aufgemacht. Aber wie hätte sich das wohl angefühlt, wenn ich tatsächlich 250 € für das Material ausgegeben hätte?
Nach dem Zusammennähen der Rumpfteile ergab sich dann auch noch, dass trotz perfekt passender Maschenprobe und korrekter Maschenzahl in Länge und Breite jeweils mindestens 5 cm zu den Angaben im Heft fehlten. An diesem Punkt hatte ich keine Lust mehr und habe nur noch versucht, ob ich das Ding noch irgenwie retten konnte.
Sorry, liebes Redaktionsteam der V. : Das war nicht nur Pfusch, das war einfach unverschämt! Und ich habe auch kein Interesse mehr, an einem anderen Stück auszuprobieren, ob es ein Ausreißer war oder ob solche Schlamperei bei Ihnen inzwischen zum Standard gehört. Für den Preis des Heftes hätte ich bei Ravelry jedenfalls eine probegestrickte Anleitung mit genauen Angaben, Grafiken und Bildern bekommen, vielleicht mit Links zu erklärenden Videos, und mit vielen Fotos von fertigen Stücken anderer Strickerinnen.
Ich fürchte, das Geschäftsmodell "Strickzeitschrift" ist nicht mehr zeitgemäß.
Übrigens habe ich diese Jacke bislang nirgends, also weder bei Ravelry, Pinterest, Instagram oder in einem Blog gesehen...
So, aber nun will ich euch noch zeigen, was für ein Träumchen aus der ursprünglich erhofften Jacke dann noch geworden ist: Eine federleichte Weste ohne Fransen, absolutes Lieblingsteil zu Shirt und Jeans. Und eine meiner Scarletts lernt ihr so auch mal kennen. Sieben Stück habe ich inzwischen davon genäht!
Ganz viele selbstgefärbte Garne mit 600 Meter Lauflänge, jeweils zwei davon zusammen verstrickt, Enden eingewoben. |
Hier sieht man gut, dass die Teile so asymmetrisch sind, dass man sich die Zu- und Abnahmen nicht selbst erschließen kann. |
Der Wurstverschluss :-) |
Und das Strickheft ist im Papiermüll.