Anleitung Filztunika

Vorbemerkung: So ein großes Kleidungsstück ist auch für erfahrene Filzer eine echte Herausforderung und ganz bestimmt nichts für ungeduldige Gemüter. Ich brauche ca. 4 Stunden, bis ich soweit bin, dass ich die Arbeit zum ersten Mal unterbrechen und dann im Waschbecken weiterarbeiten kann - Sie brauchen also viel Muße und ungestörte Zeit. Schicken Sie ihre Familie in den Zoo und ziehen Sie den Telefonanschluss aus der Wand... Und dann geht’s los:







     

     
  1. Schrumpfungsgrad ermitteln
  2. Schnitt erstellen, mit Armausschnitten und hinterem Halsausschnitt, in der Länge ca. 5 cm Zugabe, damit die Tunika am unteren Rand nicht aus Versehen zusammengefilzt wird.
  3. Schnitt auf Noppenfolie übertragen (so breite Noppenfolie gibt es z.B. bei Wollknoll oder Filzrausch. Bitte keine Trittschalldämmung oder andere feste Materialien für die Schablone verwenden! Noppenfolie rollt sich beim ersten Schrumpfen lediglich ein bisschen ein, bei der Verwendung von festeren Materialien besteht jedoch durch die Spannung die Gefahr, dass die Tunika oben auf der Schulter oder an einer Seite aufreißt!
  4. Chiffonseide nach dem Schnitt 2 x zuschneiden. Mindestens 5 cm Zugabe auf allen Seiten, da nasse Seide sich nach meiner Erfahrung ein bisschen zusammenzieht. Am Vorderteil den vorderen Halsausschnitt ausschneiden.
  5. Nur wenige Glückliche haben einen Arbeitstisch, der groß genug für Arbeiten dieser Größe ist. Für alle anderen sind die folgenden Hinweise gedacht: Bedecken Sie den Boden mit einer dicken Baufolie als Schutz (kann man von der Rolle kaufen oder bei befreundeten Handwerkern schnorren). Darauf kommen ein oder zwei Lagen alte Frottierhandtücher und darüber die Vidaramamatte (meiner Meinung nach die beste Matte für Nunofilze und dünne Kleiderstoffe. Man kann dünnere Arbeiten wie Schals, die nicht gewendet werden müssen, sogar ganz ohne Gardine auslegen. Die Fasern lassen sich jederzeit leicht von der Matte ablösen und krabbeln nicht durch das Gewebe. Die Vidaramamatten gibt´s zum Beispiel bei Kepper. )
  6. Auf die Matte kommt der Gardinenstoff, der doppelt so breit ist wie das Werkstück. Man arbeitet auf einer Hälfte und klappt später die andere Hälfte über das Werkstück. Vorher unbedingt anhand eines kleineren Werkstücks ausprobieren, ob der Stoff wirklich nicht mit eingefilzt wird.
  7. Einen der beiden Seidenstoffteile auf den Gardinenstoff legen und zwei hauchdünne Lagen Wolle auslegen. Ich arbeite meist mit mehreren Farben im Band, die ich zusammen auszupfte. Dadurch changiert die Tunika sehr schön.
  8. Vorsichtig anfeuchten und die Noppenfolie auflegen. Überstehende Wolle auf die Noppenfolie umschlagen, die Seide NICHT mit umlegen.
  9. Zwei Lagen Wolle auslegen – unbedingt mit der umgekehrten Richtung wie bei der ersten Seite! Wenn Sie bei der ersten Seite erst in Längsrichtung ausgelegt haben, legen Sie jetzt bei der ersten Lage quer aus. Dadurch können Sie die Tunika nachher sogar mit der linken Seite nach außen tragen und haben auf Vorder- und Rückseite die gleiche Faserrichtung. Gerade bei der Arbeit mit mehreren Farben parallel ist das wichtig.
  10. Die Wolle anfeuchten und die zweite Lage Chiffonseide auflegen.
  11. Den Chiffonstoff der oben liegenden Seite nach unten um die Schablone legen, den Stoff der unteren Seite nach oben klappen und mit Wasser fest”kleben”.
  12. Eigentlich reicht es, die beiden Seidenstoffe nur aufeinander zulegen, die Wolle krabbelt beim Rollen und Schlagen durch die Seide und verbindet die Stoffe haltbar miteinander. Da es aber – zumindest bei mir - beim Rollen gelegentlich vorkommt, dass sich die Stoffe doch voneinander lösen, nähe ich die Schulternähte und die Seitennähte immer mit farblich abgestimmtem Nähgarn und groben Stichen zusammen. Das muss nicht schön aussehen, denn später nach dem Walken ist von den Stichen nichts mehr zu sehen. Ich finde, die Mühe mit dem Nähen lohnt sich, da man sich möglicherweise viel Ärger und Enttäuschung erspart.
  13. Nun die Ärmelkanten, den Ausschnitt und den unteren Rand ca. 3 cm breit mit Wolle belegen. Dadurch werden diese Kanten später schöner.
  14. Nun endlich das Muster auslegen. Lassen Sie sich Zeit dazu – je genauer Sie nun arbeiten, um so schöner ist später das Ergebnis.
  15. Nun den Gardinenstoff umschlagen und die Tunika umdrehen. Rückenmuster auflegen und Gardinenstoff wieder auf das Werkstück legen. Mit heißer Seifenlauge befeuchten. Ich benutze dazu eine Gießkanne. Dann das ganze Werkstück mit Schwung umwenden und auch die zweite Seite begießen.Das funktioniert natürlich nur mit aufgelegtem Gardinenstoff.
  16. Die Matte schnell aufrollen, ehe die Seifenlauge kalt wird. Als Kern nehme ich ein gerolltes Handtuch, einen Besenstiel oder eine Rohrdämmung. Die Rolle mit Weckgummis sichern, damit nichts verrutscht.
  17. Ca. 10 Minuten ohne Druck rollen. Rolle gelegentlich schlagen (aus 50 cm Höhe auf den Boden werfen.
  18. Alles ausrollen und vorsichtig die Gardine ablösen. Spätestens jetzt zeigt sich, ob der Stoff sich gut ablösen lässt. Wenn sich doch Fasern hindurchgeschlungen haben, hilft nur ganz viel vorsichtige Geduld.
  19. Kontrollieren, ob Muster verrutscht sind und noch alle Nähte halten. Gardine drüberschlagen, wenden und Unterseite kontrollieren.
  20. Mit heißer Seifenlauge begießen, Werkstück wenden, Rückseite begießen und Werkstück diesmal quer auf die Matte legen.
  21. Einrollen und wieder ca. 10 Minuten rollen und kontrollieren.
  22. Vermutlich wellt sich nun die Noppenfolie – ein Hinweis dafür, dass der Schrumpfungsprozess eingesetzt hat. Wenn nicht, Lauge draufsprengen, Werkstück um 90° drehen, einrollen und ein paar Minuten weitermachen. 
  23. Sobald es der Noppenfolie sichtlich zu eng wird, vorsichtig aus dem Werkstück ziehen. Ab diesem Zeitpunkt kann auch ohne Gardine und Matte am Waschtisch weitergearbeitet werden.
  24. Kontrollieren, ob alle Muster, Kanten und Nähte festsitzen. Kritische Muster annadeln, Nähte eventuell nachnähen.
  25. Werkstück in einer Schüssel oder im Waschbecken mit heißer Seifenlauge besprengen und VORSICHTIG knautschen und werfen. Immer wieder Nähte und Muster kontrollieren. Vor allem die Schulternaht, denn die sieht man nachher dauernd! Gut aufpassen, dass nicht Vorder- und Rückseite zusammenfilzen.
  26. Werkstück immer wieder auf der Schablone ausbreiten, um den Schrumpfungsprozess zu kontrollieren.
  27. Sobald das Werkstück deutlich kleiner ist als die Schablone und sich der Filz schon stabil anfühlt, entwässern, in ein Handtuch rollen oder schleudern und feucht anziehen. So lässt sich am besten sehen, wo noch gewalkt werden muss. Immer wieder ein bisschen walken und wieder anziehen- nach und nach entsteht so die endgültige Form.
  28. Lassen Sie jemanden kontrollieren, ob die Tunika auch von hinten gut sitzt!
  29. Bei schmaler Taille und/oder größerer Oberweite eventuell unter einem Arm 20 cm einschneiden und später einen Nahtreißverschluss unsichtbar einnähen. So sitzt die Tunika körperbetont und man kommt trotzdem gut hinein.
  30. Ausspülen, 10 Min. in Essigwasser liegen lassen, schleudern, trocknen. FERTIG!

Die fertige Tunika. Das große Weiße ist die Schablone!

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