Sonntag, 9. Oktober 2016

Lac Dye

Auch meine Rotholzbestände gehen zur Neige, auch mir fehlt eine unkomplizierte Quelle für klares Rot. Und natürlich bin auch ich über all die vielen schönen Schellackfärbungen begeistert, die in meiner Blogroll zu sehen sind.
Daher habe ich das Buch von Dorothea Fischer und 50 g Laccainsäure gekauft. Den letzten Anstoß dazu haben mir übrigens die tollen Bilder bei Farbenfaden gegeben.

Das Buch heißt "Lac Dye - Das königliche Rot aus der Natur Asiens"und hat mich extrem enttäuscht. Für den stolzen Preis von 28,99 € habe ich wirklich mehr erwartet als ein paar wenige Färberezepte und schlechte Fotos!

Der Band enthält zunächst einiges Wissenswerte über die Geschichte der Färberei mit Schellack sowie eine Reisebeschreibung einer Dame mitsamt einem englischsprachigen Einschub, dessen Notwendigkeit sich mir nicht erschlossen hat. Dann folgen Dorotheas Versuche, aus Stocklack Farbstoff zu extrahieren und danach einige wenige Rezepte für Laccainsäure mit den bei Dorothea Fischer üblichen erstaunlich großen Mengen an Farbstoff. Es gibt viele Bilder mehr oder weniger erfolgreicher Färbeaktionen. Da stehen dann Menschen um Färbetöpfe herum, in denen Fasern schwimmen. Die Bilder der gefärbten Fasern sind schlecht beleuchtet, inhaltlich wenig fokussiert und daher nichtssagend. Das lange Abschlusskapitel widmet sich dann Strickmustern, deren einzige Gemeinsamkeit die Umsetzung mit LacDye-gefärbten Garnen sind...
Ihr seht, ich habe mich sehr geärgert und hätte das viele Geld lieber in mehr Lac Dye investiert. Das Buch ist lediglich ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig ein professionelles Lektorat für die Qualität einer Veröffentlichung ist.

Die Laccainsäure ist als Farbstoff tatsächlich faszinierend und ergibt ganz wunderbar satte Rottöne:

Wolle (Lifestyle vom Atelier Zitron), Wolle-Seide (Seidenstraße vom Atelier Zitron) und Blue Faced Leicester im Band

Vor allem die tiefen Rottöne haben es mir angetan, die erreicht man sonst nur mit einer leichten Indigo-Überfärbungen von sattem Cochenillerot.

Dorothea Fischer verwendet ja keine Kaltbeize (warum eigentlich nicht?). Daher habe ich nach vielen Jahren mal wieder mit Alaun/Weinstein vorgebeizt, um auszuloten, ob es einen Unterschied zur Kaltbeize AL gibt. Und tatsächlich:

In der Mitte liegt der mit Alaun und Weinstein gebeizte Strang
Das Rot ist etwas wärmer als bei den Färbungen mit Material, das mit Kaltbeize AL gebeizt wurde. 

Gefärbt habe ich mit 5% Lac Dye in zwei Zügen. Beide Züge habe ich in der Flotte auskühlen lassen. Die Ergebnisse des zweiten Zuges wurden dann komplett mit Cochenille und Indigo überfärbt, da sie nur ein helles Pink ergeben hatten. Allerdings enthielt der erste Zug einen hohen Anteil Lifestyle vom Atelier Zitron, und dieses Garn saugt jede Farbe auf wie ein Schwamm. 

Was mir am Färben mit Lac Dye gefällt: Es werden nur die Ausscheidungen der Läuse verwendet und nicht die Tiere selbst. Bei der Arbeit mit Cochenilleläusen kann ich nie ausblenden, dass für meine bunte Wolle Tiere gezüchtet und getötet werden. 
Auch die Nachbehandlung der gefärbten Fasern ist etwas einfacher als bei Cochenille, denn die Fasern bluten nicht so aus, so dass nur wenige Spülgänge reichen.

Allerdings ist Lac Dye durch die Extraktion der Laccainsäure einfach nur ein Pulver, das man in Wasser einrührt. So ähnlich stelle ich mir das Färben mit Säure- oder anderen synthetischen Farbstoffen vor und finde es wenig sinnlich. All das Haptische des Sammelns, Schneidens, Mörserns und Auskochens, die verschiedenen Gerüche - alles was ich an der Färberei so liebe, fällt komplett weg und wird auf "Wolle-wird-Rot" reduziert. Während sonst der Weg mein Ziel ist, ist das Färben mit Lac Dye rein ergebnisorientiert. Aber auch das hat ja seine Berechtigung.

Inzwischen bekommt man das Lac Dye-Pulver bei vielen Shops, die Zutaten für die Färberei verkaufen. Ich frage mich, wie es bei einem natürlichen Produkt möglich ist, den plötzlich so großen Bedarf der Färberinnen so schnell zu decken. Vermutlich ist der indische Markt jetzt leergefegt, und es nur eine Frage der Zeit, bis minderwertiges oder gefälschtes Lac Dye auf dem Markt auftaucht.

Sollten wir Pflanzenfärber in unserer Farbpalette vielleicht auf klares Rot verzichten? Wie ist die Produktion von Lac Dye organisiert? Ist es in diesem Fall sinnvoll, auf synthetischen Farbstoff auszuweichen? Ich bin sehr unsicher.

Aber abgesehen von diesen Skrupeln ist das Ergebnis der Farbaktion wunderschön. Dies ist mein aktuelles Lieblingsgarn, ein Lacegarn mit 10% Angora. Es ist mit Lac Dye, Cochenille, Krapp und Dahlien gefärbt  und bereits auf den Nadeln.





2 Kommentare:

  1. Ein wirklich spannender Beitrag mit Gedanken zum Thema Lac Dye. Die Farben, die bei dir herausgekommen sind, sind wirklich richtig schön geworden. Total farbintensiv.
    Tolles Ergebnis,
    Daphne

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  2. Ein toller Pot mit vielen Anregungen und Gedanken zum Thema Färben mit der Natur. Ich habe diese Färbungen noch nicht probiert, weil ich eigentlich mit den Cochenille- Färbungen zufrieden bin. Wie so oft gibt es immer ein für und wider. Ich durfte mal eine Cochenille-Ernterin auf La Palma kennenlernen und war überrascht, wie sie alles zelebrierte. Von ihren Vorräten färbe ich noch immer, weil der Farbstoff so ergiebig ist.
    Danke auch für die Buchvorstellung und so bin ich doch froh, dass ich es noch nicht gekauft habe. Abgehalten haben mich aber mehr die Vorgänger von Dorothea Fischer, die immer neu zu berechnenden Färberezepte mit Alaun..., der Materialeinsatz ... liessen mich diesmal abwarten.
    Ich füge meinen Rotfärbungen auch immer ein bisschen Weinstein bei, man kann da wirklich Unterschiede sehen.
    Selten schreibe ich so lange Kommentare, aber dein Post regt so zum Nachdenken an und uns Pflanzenfärbern wird mal wieder bewußt, wie viel wir der Natur doch verdanken.
    Deine Färbungen sind wirklich toll geworden - hätte ich doch fast vergessen ;O)
    Lieben Inselgruß
    Sheepy

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